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England: Kunst und Natur im Einklang

Skulpturen in Landschaftsparks und in rauer Natur

Die großartige britische Gartenarchitektur macht vor moderner Kunst nicht halt: Die Engländer sind nicht nur Meister darin, Parks naturnah anzulegen, sondern diese auch in Beziehung zu moderner Bildhauerei zu setzen. Und auch in der rauen Natur stößt man auf beeindruckende Skulpturen.

Ein Waldweg, immer wieder durchsetzt von Baumwurzeln, schlängelt sich im Yorkshire Sculpture Park den Hang hinauf. Doch einige der Baumwurzeln glänzen seltsam metallisch im Sonnenlicht… Etwas versetzt klärt ein Schild auf: „Hemali Bhuta, Speed Brakers“.

Der Titel des Kunstwerks ist Programm – und doppeldeutig zugleich. Nur wer langsam geht, wird die Bronze als solche wahrnehmen. Ganz anders die „Large Two Forms“ von Henry Moore, die an sich sehr nahe kommende männliche und weibliche Unterkörper erinnern. Diese überlebensgroße Plastik thront auf einer Wiese, auf der Schafe grasen.

Riesiger Landschaftspark für die Kunst

Flankiert wird die Kunst hier von einem historischen Baumbestand. Um das ehemalige Herrenhaus Bretton Hall zieht sich ein 200 Hektar großes Gelände, auf dem über 40 Skulpturen internationaler Bildhauer stehen. Die Kunstwerke wurden dabei so positioniert, dass sie sich gegenseitig und der Natur Platz lassen. Der Kunstgenuss geht so immer wieder fließend in ein Landschaftserlebnis über. Wer die Kunst sehen möchte, muss Wiesen, Felder und Wälder durchqueren. Manches sieht man schon von weitem. Anderes springt erst ins Auge, wenn man eine Hecke umrundet oder eine Anhöhe erklommen hat. Der Yorkshire Sculpture Park, etwa auf halber Strecke zwischen Sheffield und Leeds gelegen, ist in einen besonders malerischen Teil der Hügellandschaft der Grafschaft Yorkshire eingebettet.

100 Skulpturen, von den Fluten umspült

Weiter westlich, wo der River Mersey in die irische See mündet, steht eine Skulptur, besser gesagt eine Skulpturengruppe, die die Kraft der Natur unzweifelhaft vor Augen führt: Der englische Bildhauer Antony Gormley ließ 100 gusseiserne Figuren nach seinem Körper formen und verteilte sie entlang des Strandes. Je nach Wasserstand werden die Menschenkörper, die sich alle gleichermaßen vom Land abwenden, sichtbar. Wer sich den Figuren nähern will, die am weitesten draußen im Meer stehen, der muss auf die Ebbe warten. Bei Flut werden sogar die höher gelegenen, fast schon in den Dünen stehenden, von den Wassermassen umspült. Der maximale Tidenhub beträgt am Mersey gewaltige achteinhalb Meter!

Antony Gormleys Arbeit mit dem Titel „Another Place“ steht seit 2005 vor den Dünen von Crosby Beach, einem Vorort Liverpools. Und da viele der Skulpturen mit den Gezeiten zweimal täglich abtauchen, sind sie längst deutlich vom Meer gezeichnet: Algen haften an der Oberfläche als seien sie menschliche Haare. Seepocken und Muscheln haben die massiven, gusseisernen Körper zu ihrer Lebensgrundlage erkoren.

Eigentlich sollte das Kunstwerk, das 2005 zur Biennale Liverpool installiert wurde und zuvor bei Kunstfestivals in Cuxhaven und an der belgischen Küste gastierte, nur zwei Jahre bleiben. Doch zahlreiche Bewohner in und um Liverpool verliebten sich in „Another Place“ und trommelten für den dauerhaften Verbleib.

Der Künstler war begeistert und bezeichnete die Lage am Übergang des Mersey ins offene Meer als idealen Ort für seine Arbeit. So können sie nämlich nicht nur den regen Schiffsverkehr auf dem Weg zum nahen Hafen von Liverpool beobachten, sondern haben bei guter Sicht auch einen direkten Blick auf die Berge von Wales, die sich hinter der Meeresbucht über den Horizont erheben.

Mit ganz anderen Naturgewalten wiederum spielt die zehn Meter hohe Skulptur „Singing Ringing Tree“ auf, einem Höhenzug der Penninen im Norden von Manchester. Sie trägt eine in sich verdrehte Reihe mit hohlen Stahlrohren, die wie eine gigantische Panflöte vom Wind in Schwingung versetzt wird. Je nach Windrichtung und -stärke entstehen so stetig wechselnde, mehrstimmige Töne. Der Tonumfang kann hierbei mehrere Oktaven betragen.

UNESCO-Welterbe im lieblichen Tal

Östlich des Gebirgszuges, zurück in Yorkshire, wird die Landschaft wieder lieblicher. Es regnet deutlich weniger und in den windgeschützten Tälern gedeiht die Vegetation üppig. Hier befindet sich nicht nur der Yorkshire Sculpture Park. Hier erfüllte sich auch John Aislabie, im 18. Jahrhundert Schatzkanzler seiner Majestät, einen Traum: Neben einer verlassenen Zisterzienserabtei schuf er den bedeutendsten Landschaftsgarten seiner Zeit: Studley Royal Water Garden. Zwei Kanäle durchziehen den Kanal und bilden zentrale Blickachsen. Gleichzeitig passt sich der Park jedoch dem natürlichen Verlauf des Tals an: Herkulestempel, Monopteros, das palladianische Banketthaus und weitere Elemente sind in die Landschaft integriert.

Studley Royal ist somit kein reiner Barockgarten mehr, bei dem die Natur sich dem Formwillen des Architekten zu unterwerfen hat, sondern ein klarer Schritt hin zur typisch englischen Gartenarchitektur. Gemeinsam mit der gewaltigen Ruine der Klosterkirche von Fountains Abbey wurde das Areal daher von der UNESCO zum Weltkulturerbe geadelt.

Wie in allen darauffolgenden Landschaftsgärten Englands wurden hier antike Tempel, Brücken und Skulpturen als kunstvolle Blickpunkte so in den Garten eingefügt, dass eine harmonische und romantisch wirkende Landschaft entsteht. Sanfte Hügel, kurvige Wege, Seen und Baumgruppen vermitteln den Eindruck einer idyllischen, von Menschen unberührten Natur, obwohl sie sorgfältig geplant waren.

Die traditionelle englische Gartenkunst verbindet Ästhetik und Naturerlebnis genauso wie der typisch britische Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum: Skulpturen werden häufig nicht nur an Gebäuden oder auf Plätzen installiert, sondern behutsam in die Natur eingefügt – sei es in einem Skulpturengarten wie dem Yorkshire Sculpture Park, sei es in der rauen Natur wie der „Singing Ringing Tree“ auf einem Bergrücken der Penninen oder sei es „Another Place“ in der Mündung des River Mersey.

Kunst, die Bewusstsein für die Landschaft schafft

Tatsächlich tragen diese künstlichen Eingriffe in die Landschaft auch zu einer bewussteren Naturwahrnehmung der Menschen bei: So hat „Another Place“ die Aufmerksamkeit der Bewohner und Besucher Liverpools zweifellos auf diesen Strand gelenkt. Der Ort, der unmittelbar an den modernen Containerhafen grenzt, ist mehr als nur ein beliebtes Naherholungsgebiet geworden. Die städtischen Bewohner der Metropole identifizieren sich mittlerweile stark mit diesem Strandabschnitt – und längst nicht mehr nur mit der großen Geschichte der stolzen Hafenstadt, „Ihrem“ Fußballverein oder den Beatles.

Viele Hotels und andere öffentliche Gebäude schmücken ihre Innenräume mit stimmungsvollen Bildern der Skulpturengruppe – und in den Souvenirshops stößt man zwangsläufig auf Postkarten der gusseisernen Figuren.

drp Kulturtours | IBK Institut für Bildung und Kulturreisen GmbH

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Bilder:

Bilder im Textteil, sofern nicht anders angegeben: © Harald Kother | drp Kulturtours

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