Liebe auf den ersten Blick – die Soča in Slowenien
Gibt’s nicht? Doch. Und zwar nicht nur zwischen Menschen oder Lebewesen, nein, auch zwischen Mensch und Natur. So ein Quatsch, dachte ich auch immer. Bis ich vor einigen Jahren das erste Mal die Soča in Slowenien sah. Es war Liebe auf den ersten Blick. Dieser wilde, naturbelassene, türkise Fluss hatte mich sofort in seinen Bann gezogen.
Diese Gedanken zaubern mir heute ein Lächeln ins Gesicht und ich wandere glückselig als Reiseleiterin mit einer Gruppe am Alpe-Adria-Trail von Kärnten, durch Slowenien bis Friaul-Julisch-Venetien. Dieser Weitwanderweg verbindet die Berge und das Meer, die Alpen und die Adria. Wir starten unsere Wanderung knapp hinter der slowenischen Grenze, nahe dem Ort Kranjska Gora.

Über den Vršič-Pass
Der erste Tag führt uns über den Vršič-Pass (1.611 m). Die Kulisse der Julischen Alpen lässt jegliche Anstrengung vergessen. Nach einer ausgiebigen Rast in der Nähe der Soča-Quelle machen wir uns auf nach Trenta. Unserem Ziel für den ersten Tag. Der kleine Ort verteilt sich über mehrere Siedlungen und liegt im westlichen Teil des Nationalpark Triglav.
Einheimische Ranger berichten uns im Besucherzentrum viel Interessantes über die Region, Flora und Fauna. In ihnen lebt die Idee von Julius Kugy (1958 – 1926), dem Erschließer der Julischen Alpen, weiter. Nicht der sportliche Aspekt, sondern das Naturerlebnis zählt. Bei etwas (Wolken)Glück erspähen wir auch den Gipfel des Triglav (2.864 m), dem Namensgeber des einzigen Nationalparks Sloweniens.

Mein Lieblingstag!
Juhu, der nächste Tag ist angebrochen. Mein Lieblingstag! Wenige Minuten nach Verlassen unserer Unterkunft treffen wir auf die erste von vielen Hängebrücken an der Soča. Obwohl sie kurz ist, braucht das Überqueren verhältnismäßig lang. Die Schönheit des Flusses überwältigt die ganze Gruppe. Verzückt wird ein Foto nach dem anderen geschossen. Ein Gefühl von Wahrhaftigkeit und Demut überkommt uns. Erst mein Versprechen auf weitere, ebenso, oder sogar noch schönere Aus- und Anblicke, bewegt die Gruppe zum Weitergehen.
Türkise Schönheit

Die Soča begleitet uns mit ihrer an die Karibik erinnernden, türkisen, wunderschönen leuchtenden Farbe den ganzen Tag. Unser Wandertag endet an einer idyllischen, naturbelassenen Badestelle. Eisbaden ist ja bekanntlich in, also rein in das 9 Grad kalte Wasser!
„Stöcke an den Rucksack“ – mit dieser Ansage, starten wir am nächsten Morgen freudig aufgeregt auf einen Pfad direkt am Ufer der Soča. Der steinige, unebene Untergrund erfordert höchste Konzentration. „Das war der beste Teil der ganzen Wanderung“ – diesen Satz höre ich anschließend oft. Denn der Kontrast zwischen dem weißen Kalkstein und dem smaragdgrünen Wasser ist hier einfach unbeschreiblich schön. Der weitere Verlauf des Weges führt etwas vom Ufer weg, höher hinauf. Ein atemberaubender Ausblick eröffnet sich uns. Etwas Buntes treibt flussabwärts … schon wieder … Kajakfahrer! Die Begeisterung ist groß. Müde, aber glücklich, kommen wir in Kobarid an.
Ein Tag zur freien Verfügung

Was machen wir morgen? Diese Frage beschäftigt beim Abendessen alle. Ein Tag zur freien Verfügung steht auf dem Programm. Je nach Wetter, Lust und Laune haben wir verschiedene Möglichkeiten. Ein Spaziergang zu einem Wasserfall, Baden im Fluss, eine Rundwanderung zu einem Aussichtspunkt, Museumsbesuche oder für ganz Mutige eine Raftingtour auf der Soča.
Am späten Nachmittag treffen wir uns wieder und fahren gemeinsam in ein ursprüngliches Bergdorf. Eine Einheimische bringt uns bei einem Rundgang die Geschichte des Dorfes näher. Während wir lokale Produkte verkosten, erfahren wir, dass junge Leute aus der Region dabei sind, den Ort wiederzubeleben.
Wie lange wird die raue Schönheit dieses abgeschiedenen Dorfes wohl ein Geheimtipp bleiben? Nach einem mehrgängigen slowenischen Abendessen beenden wir zufrieden den heutigen Tag.
Abwechslung in den Weinbergen
Abwechslung versprach ich den Gästen am ersten Abend. Heute ist es so weit. Wir verabschieden uns von der wilden, türkisen Soča und tauchen in eine andere Welt ein. Nämlich in eine sanfte, hügelige, grüne Landschaft – die Brda, die slowenischen Weinberge. Unser Blick schweift über das Land.
Verträumt wandern wir fröhlich plaudernd zwischen den Weinreben dahin. Unterwegs statten wir dem Renaissanceschloss Dobrovo einen kurzen Besuch ab.

Smartno, ein mittelalterliches, wunderschönes Dorf, ist unser Tagesziel. Bei einem Stadtrundgang lernen wir die Geschichte des Ortes und seiner Bewohner kennen. Mit Wein aus der Region lassen wir den Tag bei einem gemütlichen Abendessen ausklingen.
Zu Fuß über die Grenze zu laufen, macht man auch nicht alle Tage. Heute schon. Wir wandern über die Grenze nach Italien. Der Alpe-Adria-Trail führt uns durch Dörfer und Wälder bis nach Cormons. Einer Gemeinde in der italienischen Region Friaul-Julisch-Venetien mitten in den Weinbergen des Collio. Espresso, Cappuccino, Gelato oder der typische Friulano schmecken hier einfach besonders gut.
Auf zum Meer!
Nach einer kurzen Fahrt liegt das nächste Highlight vor uns. Und zwar das Meer! Wir wandern auf dem Rilke Weg von Duino nach Sistiana und blicken, wie einst Rainer Maria Rilke, auf die Adria. Hier zu sein ist wunderschön, meinte der Dichter während seiner Anwesenheit im Schloss Duino wo er mit den Duineser Elegien begann.
Der Panoramaweg bietet, direkt am Rand der Klippen, wunderschöne Ausblicke auf die Buchten von Triest bis Grado. Das Meer strahlt Ruhe aus. Es zieht uns in seinen Bann. Wir übernachten heute in Opicina bei Triest, oben auf den Klippen. Der Name stammt aus dem Keltischen und bedeutet Felsen.
Deutsche und Österreicher sind ja für ihre Pünktlichkeit bekannt. Was besonders heute auch gut so ist. Denn wir fahren mit dem Linienbus runter nach Triest. Mitten ins Zentrum. Direkt an der Bushaltestelle erwartet uns Sandra, die quirligste Person, die man sich vorstellen kann. Sie ist unsere Stadtführerin. Italienisches Temperament gepaart mit lebhafter Begeisterung für die Geschichte ihrer Stadt lässt mehrere Stunden Stadtrundgang vergehen wie im Flug.
Anschließend haben wir Zeit zur freien Verfügung. Gemütliches Schlendern durch die Stadt, ein Besuch des berühmten Schlosses Miramare oder eine Wanderung in die oben auf den Klippen liegende Ortschaft Prosecco – vieles ist möglich, je nach Geschmack.

Überraschungen im Val Rosandra
Unser letzter Wandertag hat es nochmal in sich. Das Val Rosandra ist eine landschaftliche Überraschung. Unberührte Natur, nur wenige Kilometer von Triest entfernt. Ein wildromantisches, felsiges Naturschutzgebiet, ausgespült und geformt durch den Fluss Rosandra. Von weitem als Wasserfall zu sehen.

Naturschutzbeauftragte erzählen uns die Besonderheiten der Tier- und Pflanzenwelt dieses Lebensraumes im Karst. Überreste römischer Aquädukte und etliche Turnschuhwanderer lassen darauf schließen, dass wohl auch andere die Schönheit dieses Gebietes erkannt haben.
Am Abschlussabend genießen wir nochmal die italienische Küche und stoßen auf eine schöne Wanderwoche auf dem Alpe-Adria-Trail an. Morgen fahren wir zurück nach Villach in Kärnten. Schön war’s!
Reiseleiterin Lena Szilus, für Sento Wanderreisen.
Sento Wanderreisen
Sento Wanderreisen bietet Wanderreisen in Europa an – in kleinen, persönlichen Gruppen oder individuell. Auf den Reisen zeigen sie wunderschöne Landschaften und interessante Regionen. Am liebsten Orte, die sich ihre Ursprünglichkeit und besondere Atmosphäre bewahrt haben. Viele ihrer Reisen sind gut per Zug erreichbar.
Bilder:
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© Lena Szilus