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Versteckte Perlen des Balkans

Wanderrundreise Albanien und Nordmazedonien

Alles beginnt mit einer Tasse Kaffee: Zwei Tässchen und eine Xhevze, ein langhalsiges Kupferkännchen, stehen auf dem etwas wackeligen runden Tisch am Rande des gigantischen Skanderbeg-Platzes mitten in Tirana. Der Duft frisch gekochten Kaffees liegt in der Luft. Mit Blick auf die Bleistiftturmspitze der Et’hem-Bey-Moschee, den Uhrturm und das historische Nationalmuseum sitzen wir inmitten des geschäftigen Treibens der albanischen Hauptstadt und starten in unsere Rundreise wie sich das in Albanien gehört: mit einem aromatischen Kaffee und ein paar in Sirup eingelegten Früchten. Am frühen Morgen sind wir mit unserer Reisegruppe nach einer nächtlichen Fahrt von Italien über das adriatische Meer in den Hafen von Durrës eingelaufen. Nach einem kurzen Transfer in die Landeshauptstadt starten wir nun gemeinsam mit unserem einheimischen Reiseleiter in eine zweiwöchige Wanderrundreise voll landschaftlicher und kultureller Höhepunkte auf dem Balkan.

RELIGIÖSE VIELFALT UND TOLERANZ

Albanien war unter der Herrschaft des Diktators Hoxha 40 Jahre lang isoliert – tausende alte Bunker, die über das ganze Land verteilt sind, zeugen noch heute davon. Zwar ist Albanien noch immer eines der ärmsten Länder Europas, aber seit einigen Jahren blüht es auf: Der Tourismus wächst kräftig und das Interesse an den Schönheiten des Landes wird immer größer. Dabei machen nicht nur das Meer und die Berge, Flüsse und Wälder den Reiz Albaniens aus, sondern vor allem die Gastfreundschaft der Menschen und das friedliche Nebeneinander verschiedener Religionen. Im Weltzentrum des Bektashi-Ordens mitten in Tirana können wir das eindrucksvoll erleben. Die schiitische Glaubensrichtung wurde zur Zeit der kommunistischen Diktatur massiv unterdrückt. Heute ist sie ein prägendes Element der populären Volkskultur Albaniens. Sie predigt einen liberalen Islam und setzt sich für einen interreligiösen Dialog ein. Im Gebetshaus, das wir besichtigen, geht es bunt zu: Hier beten Männer und Frauen gemeinsam, wobei Musik und Tanz eine große Rolle spielen.

BERGWIESEN, BLÜTENPRACHT & BUCHENWÄLDER

Auf dem Programm der Reise stehen eine Reihe UNESCO-Welterbestätten und Nationalparks. Wir starten mit dem Bus in Richtung Nordmazedonien, denn den Auftakt bildet der Jablanica Shebenik Nationalpark unweit der Grenze. Hier war noch bis 1990 militärisches Sperrgebiet – und genau das ist der Grund für eine bemerkenswert intakte Natur mit alpinen Matten und uralten Buchenwäldern. Der Nationalpark zählt zum Grünen Band Europa und wurde auf Initiative der deutschen Euronatur-Stiftung gegründet. Hier finden viele seltene Tiere einen Lebensraum, so z.B. der stark gefährdete Balkanluchs. Wir wandern über die Waldgrenze hinaus und finden uns inmitten blühender Bergwiesen wieder, dazwischen Trockenrasen mit Wacholderbüschen. Vielleicht können wir beim Picknick im Grünen sogar das endemische Balkan-Veilchen entdecken?

KIRCHEN, KRISTALLKLARE SEEN UND KRAUSKOPFPELIKANE

Weiter geht es ins bezaubernde Ohrid. Die Stadt ist UNESCO-Welterbe und ein frühes Zentrum des Christentums. Davon zeugt eine Vielzahl von Kirchen. Besonders schön ist die achteckige Kirche Sveti Jovan Kaneo, die auf einem Felsvorsprung über dem glitzernden Ohrid-See thront; im Hintergrund zeichnen sich die Silhouetten zahlreicher Gipfel ab. Auch das Kloster Sveti-Naum mit seinen wunderschönen Fresken und Ikonen befindet sich am Ufer des Sees.

Der Hingucker schlechthin ist aber der Ohrid-See selbst. Das Wasser ist kristallklar und auch wenn der See bis zu 300 m tief ist, hat man hier immer das Gefühl, bis zum Grund schauen zu können. Zum Staunen bringen uns vor allem die Karst-Quelltöpfe im Auwald, die wir mit Ruderbooten erkunden.

Unterirdische Quellen mit Wassern des höher gelegenen Prespa-Sees treten hier zu Tage und speisen den Ohrid-See. Den schönsten Blick auf den See haben wir dann aber doch von hoch oben: Eine Wanderung im Galičica-Nationalpark bringt uns zu Bergwiesen – und zu einem Aussichtspunkt, der uns auch einen spektakulären Blick auf unser nächstes Ziel ermöglicht: den Großen Prespasee. Durch dessen Mitte verläuft eine unsichtbare Grenze. Dort treffen die Länder Nordmazedonien, Albanien und Griechenland aufeinander. Wir begeben uns in kompetenter Begleitung ans Ufer und machen uns bereit zur Vogelpirsch, denn der Prespasee ist wichtiges Brut- und Überwinterungsgebiet für eine Vielzahl seltener Vogelarten und somit das ornithologische Highlight der Reise. Während über uns in den Baumkronen der goldgelbe Pirol flötet und im Schilf der seltene Sumpfrohrsänger die verschiedensten Stimmen und Geräusche imitiert, können wir auf dem See mit etwas Glück neben Rosapelikanen auch die seltenen Krauskopfpelikane beobachten. Bei unserem Bootsausflug auf eine der kleinen Inseln, die dem stark zerklüfteten Ufer vorgelagert sind, besichtigen wir eine orthodoxe Höhlenkirche, während über uns Alpensegler und Schwalben kreisen.

AUF TREPPENWEGEN ZU EINER DER TIEFSTEN SCHLUCHTEN EUROPAS

Von den Feuchtgebieten am See fahren wir nun hinein in die bizarre Bergwelt Griechenlands. Vor den Toren der Stadt Konitsa treffen wir an einer Brücke erstmals auf unserer Reise auf den Fluss Aoos, der in Albanien Vjosa heißt und uns in den nächsten Tagen begleiten wird. Er entspringt im Pindos-Gebirge und hat sich auf den ersten Kilometern seines insgesamt fast 300 km langen Flusslaufs tief in den Kalkstein gegraben. So sind imposante Schluchten entstanden, von denen die Vikos-Schlucht im Vikos-Aoos-Nationalpark wohl die berühmteste ist: Auf einer Strecke von 10 km fallen die Felswände bis zu 1.000 m in die Tiefe. Wer zum Aussichtspunkt will, braucht etwas Ausdauer: Auf einem alten Treppenweg gilt es einige Höhenmeter zu überwinden. Unterwegs machen wir ein Picknick inmitten der spektakulären Landschaft und halten nach Adlern und Geiern Ausschau, die über der Schlucht kreisen.

DER LETZTE WILDFLUSS EUROPAS

Bevor wir weiter in die faszinierende Natur des Landes eintauchen, wird es mal wieder Zeit für ein bisschen Kultur. Wir fahren nach Gjirokastra, in die sogenannte Stadt der Steine. Die UNESCO-Welterbestadt ist eine der ältesten Städte des Landes: Die Häuser im traditionellen Stil mit Steindächern und schmalen, hohen Fenstern, sind in die steilen Hänge hineingebaut. Bei einem Bummel durch die engen Gassen geht es dementsprechend rauf und runter. Einzigartig sind die hier so typischen Wehrhäuser, die Zekate genannt werden. Den schönsten Ausblick genießen wir von der Burg, einer beeindruckenden Verteidigungsfestung. Hier wird die einzigartige Lage der Stadt offenbar: Im Tal der Fluss, ringsherum die steil aufragenden Gipfel.

Ein paar Kilometer weiter fließen die Flüsse Vjosa und Drino zusammen. Von oben haben wir den besten Blick auf die wilde Flusslandschaft: Wie ein lebendiger Organismus schlängelt sich die Vjosa aus den Bergen bis ins Meer. Im März 2023 wurde sie nach langem Kampf von Naturschützer*innen und Organisationen wie z.B. Euronatur endlich als Nationalpark unter Schutz gestellt. Der einzige Wildfluss-Nationalpark Europas zeichnet sich durch einzigartige Mäander, ausgedehnte Auenflächen und von Flussarmen umflossene Sand- und Kiesbänke aus. Das Flussbett hat sich über Millionen von Jahren geformt und ist Lebensraum für eine große Anzahl endemischer Fischarten. Für die Bevölkerung ist die Vjosa lebensnotwendig: Sie transportiert warmes Küstenklima bis weit ins Landesinnere und schafft so gute Voraussetzungen für die Landwirtschaft. Zwischen Pionierpflanzen und Tamarisken auf den kleinen Inselchen und Kiesbänken tummeln sich verschiedenste Vogelarten. Wir treffen einen Naturschützer, der uns vom Kampf für den Nationalpark und den Problemen des im Bau befindlichen internationalen Flughafens in Vlora berichtet.

ÜBER DEN LLOGARA-PASS IN DIE RUINENSTADT AN DER KÜSTE

Auf dem Weg an die Küste steuern wir den Llogara Nationalpark an, den wir wandernd erkunden wollen. Schon allein die Anfahrt ist atemberaubend, aufregend und malerisch: In zahlreichen Serpentinen und engen Kurven schrauben wir uns mit dem Bus auf 1.027 m über dem Meeresspiegel. Von oben bieten sich traumhafte Blicke über die südlichen Ausläufer des Ceraunischen Gebirges und das Ionische Meer: Wir wandern durch herrliche Bergwälder und über die Baumgrenze hinauf zu üppigen Blumenwiesen und genießen unterwegs immer wieder spektakuläre Blicke aufs Meer.

An den letzten Tagen unserer Reise genießen wir noch einmal die Kombination aus Natur und Kultur der albanischen Riviera. Nirgendwo ginge das besser als in der UNESCO-Welterbestadt Butrint, nahe der griechischen Grenze. Umgeben von Wasser und Wäldern und mit der griechischen Insel Korfu in Sichtweite, ermöglicht eine Erkundung der Ruinenstadt eine faszinierende Reise durch verschiedene Epochen der Geschichte. Die Ausgrabungsstätte wurde von verschiedenen Kulturen geprägt und vereint Elementen aus römischer, griechischer und byzantinischer Zeit. Wir nehmen auf einem der Steinsitze im riesigen Theater am Hang des Akropolis-Hügels Platz und spazieren über das römische Forum, wo einst Debatten geführt oder das Badehaus besucht wurde. Von der venezianischen Burg haben wir einen weiten Blick über die Lagune von Butrint, die gleichzeitig auch Nationalpark ist. Die Feuchtgebiete sind besonders für Wasservögel und Amphibien von herausragender Bedeutung. Und so können wir vielleicht eine Sumpfschildkröte beobachten oder bekommen eine Smaragdeidechse zu Gesicht.

Unsere Reise endet in Igoumenitsa, wo wir am Abend wieder die Fähre nach Italien besteigen werden. Aber vorher haben wir noch ein bisschen Zeit – zumindest genug, um nach albanischer Art noch einmal einen Kaffee zu genießen und die Erlebnisse der letzten zwei Wochen Revue passieren zu lassen. In Albanien beginnt und endet schließlich alles – mit einer Tasse Kaffee.

Bilder:
NP Jablanica ©Dr. J. Milbradt
Knabenkraut ©Dr. J. Milbradt
Kloster Sveti Naum Ohridsee ©Harry Karpp
Prespasee_Pelikane ©Outdoor Albania
Wanderweg nach Vradeto ©G. von Hinten
Gjirokastra ©Harry Karpp
Vjosa ©Christian Baumgartner

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