Frau zeigt zwei Besucherinnen traditionelle Knüpftechnik in Laos

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Frauenreisen Gruppe vor lokaler Organisation in Asien

Frauenbegegnungen in Asien: 3 Geschichten, die Mut machen

Wie lebt eigentlich eine Frau in meinem Alter in dem Land, das ich gerade bereise? Und wie ist ihre Sicht der Dinge in ihrer Heimat? Wenn wir nur die Standard-Sehenswürdigkeiten eines Reiseziels abhaken, erfahren wir nur wenig von den Frauen des Landes. Denn historische Monumente zeugen meist von Männern. Und so wird auch die Geschichte eines Landes überwiegend von und durch Männer erzählt.

Bei den Frauenreisen von WomenFairTravel wollen wir auch von der anderen Hälfte der Bevölkerung hören. Geschichte und Geschichten aus der Perspektive von Frauen. Dazu besuchen wir neben spannenden Highlights im Land ausgewählte Projekte, Organisationen und Unternehmen und sprechen mit den Frauen vor Ort. Begegnungen, die uns oft sehr bewegen und uns einen besonderen Einblick in die Kultur vermitteln.

Im Reiseperlen-Blog stellen wir euch drei Beispiele aus Asien vor.

Indien: Sheroes Hangout – Wo Mut sichtbar wird         

Indien lässt sich nicht begreifen – es lässt sich nur erleben. Und manchmal geschieht das Eindrückliche auf einer Reise nicht an den bekannten Orten, sondern in jenen Zwischenräumen, wo das Leben ungeschönt, aber wahrhaftig in Erscheinung tritt.

Frauenreisen Reisegruppe mit Aktivistinnen im Sheroes Café

Einer dieser Orte ist das Sheroes Hangout Café in Agra – ein Café, das weit mehr ist als eine kulinarische Zwischenstation auf dem Weg zwischen Palästen und Pilgerstätten.

Nur wenige Kilometer vom Taj Mahal entfernt und doch fernab der touristischen Selbstverständlichkeiten liegt dieses kleine, bunte Café. Es taucht in kaum einem klassischen Reiseführer auf – und zählt doch zu den berührendsten Stationen der Reise durch Nordindien mit unserer WomenFairTravel-Frauengruppe.

Es ist eine Reise voller Kontraste, Klänge, Begegnungen und ein Reiseverlauf, der nicht nur darauf angelegt ist, Sehenswürdigkeiten abzuhaken.

Unsere Reiseleiterin Sheetal, eine Frau mit viel Herz und Haltung, führte uns dorthin, wo Indien nicht inszeniert, sondern ehrlich ist: ins Café der Sheroes. Ein Wortspiel aus she und heroes. Heldinnen. Und das sind sie, ohne jeden Zweifel.

Das Sheroes Hangout ist kein klassisches Café. Es ist ein sozialer Raum, ein Statement – und ein leiser, aber unmissverständlicher Widerstand gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Gegründet von der indischen Chhanv Foundation bietet es Überlebenden von Säureangriffen einen geschützten Ort – und eine neue Perspektive. Säureangriffe gehören zu den grausamsten Formen patriarchaler Gewalt und treffen in Südasien noch immer viele Frauen: weil sie sich einer arrangierten Ehe verweigern, einen Heiratsantrag ablehnen oder einfach, weil sie „Nein“ sagen.

Die Frauen im Sheroes Café wurden für ihr Aufbegehren mit lebenslangen Narben gezeichnet – und verweigern sich doch der Rolle des Opfers. Statt sich zurückzuziehen, treten sie sichtbar hervor. Arbeiten als Köchinnen, Gastgeberinnen, Künstlerinnen, Sprecherinnen. Sie haben sich ihre Würde nicht zurückgeholt – sie haben sie nie verloren.

Wir wurden mit offenen Armen empfangen – freundlich, präsent, ruhig. Die Einrichtung ist farbenfroh und persönlich, mit Wandmalereien, einer kleinen Bibliothek und handgemachter Kunst. Auf der Karte: nordindische Klassiker. Wir bestellten Chai, Curry, Chapati – und sahen ein Video, das tiefging. Die Frauen selbst erzählen darin ihre Geschichten – vom Moment des Angriffs, als ihr Leben zerbrach bis zum entschlossenen Neubeginn. Kein Pathos, kein Selbstmitleid – stattdessen Klarheit, Stärke, oft sogar Humor.

Frauenreisen Wandbild mit Botschaft gegen Säureangriffe

Das Wort Empowerment wird oft inflationär gebraucht – hier aber ist es spürbar, greifbar und echt. Das Café war jahrelang nach dem Prinzip „Zahl, was du willst“ organisiert – heute gibt es feste Preise, doch die Haltung bleibt: Es geht nicht um Mitleid, sondern um Respekt. Um Begegnung auf Augenhöhe.

Viele der Frauen engagieren sich heute darüber hinaus – in der Kunst, in der Bildungsarbeit, auf Bühnen und Podien. In einem Land, in dem patriarchale Strukturen tief verwurzelt sind, ist ihr Weg ein leiser Aufstand – und eine stille Revolution.

Das Essen war köstlich – und doch fast nebensächlich. Was wirklich satt machte, war der Ort selbst. Und die Begegnung. Wer hier einkehrt, nimmt nicht nur eine Mahlzeit zu sich, sondern Anteil – an Geschichten, an Wandel, an echter Stärke.

Wir verließen das Café nicht bedrückt, sondern bewegt. Und mit dem Gefühl, dass Verbundenheit manchmal genau dort entsteht, wo Schmerz auf Solidarität trifft. Die Frauen im Sheroes Hangout haben uns daran erinnert, dass Veränderung nicht in Konferenzsälen beginnt – sondern manchmal mit einem Teller Daal, einem Gespräch, und dem Mut, sichtbar zu bleiben.

Frauenreisen persönliche Begegnung mit indischer Frau
Laos: Disabled Women’s Development Centre – Das Unmögliche möglich machen

Ein Center für Frauen mit Behinderung besuchen? Auf einer Rundreise in Laos? Zugegeben, einige aus der Gruppe sind verunsichert. Keine mag das Gefühl, Menschen zu besichtigen als wären sie im Zoo. Doch die Begegnungen auf unseren Frauenreisen sind alles andere als das.

Wir sind noch nicht richtig aus dem Bus gestiegen, da fegt uns schon ein knapp 1,60 Meter großes Energiebündel entgegen. Madame Chanhpheng Sivila, die 63-jährige Gründerin des Lao Disabled Women’s Development Centre, lässt sich durch nichts bremsen. Ganz sicher nicht durch ihre Beinprothese und auch nicht von der Tatsache, dass Frauen im traditionellen Laos der 90er generell keinen Business starteten.

Als Mädchen mit Gehbehinderung durfte sie die Schule nicht besuchen, verrät sie uns später im Gespräch. Chanhpheng ist trotzdem immer wieder zu dem Gebäude gehumpelt und hat einfach von außen durch das Fenster mitgelernt, bis sie reindurfte. Sie erzählt ihre Lebensgeschichte unaufgeregt und etwas spitzbübisch, während wir im Kreis zusammensitzen.

Zwei Frauen lächeln vor einem Schild der Women With Disabilities Association

Wie sie sich entgegen aller Rollenbilder, Benachteiligungen und gegen die Mühlen der Bürokratie durchgesetzt hat, macht uns Staunen. Doch die Atmosphäre im Center in Vientiane ist auch zwischen Rollstühlen und bemerkenswerten Einzelschicksalen leichtfüßig, fröhlich und unkompliziert.

Gleich nach der Ankunft nimmt uns eine der jungen Frauen, die im Center eine Ausbildung erhalten, an die Hand und führt uns durch die Einrichtung. Wir sehen die Schlafräume, den Speisesaal, den IT-Schulungsraum, die Töpferei, die Arbeitsplätze der Näherinnen und die Werkstatt der Papierkünstlerinnen. Mit letzteren setzen wir uns hin und basteln kleine, herzförmige Schlüsselanhänger aus Altpapier.

Etwas zusammen zu werkeln, bricht schnell das Eis und lockert die Rollen von Besucherinnen und Gastgeberinnen. Es ermöglicht uns Begegnungen auf einer ganz eigenen Ebene – über alle Sprachbarrieren hinweg. Nur zu gerne schauen wir uns danach die ungleich perfekteren Schmuckstücke und Kunsthandwerke im Shop des Centers an. Beim Schauen bleibt es allerdings nicht… 😉

Frau bindet einer Besucherin in Laos eine Zeremonieschnur ums Handgelenk

Zum Abschluss unseres Besuchs haben die Frauen eine laotische Baci-Zeremonie für uns vorbereitet. In der Mitte eines mehrreihigen Stuhlkreises steht eine Blatt-Pyramide mit vielen weißen Fäden, die wir alle gemeinsam in die Hand nehmen. Madame Chanhpheng leitet die Zeremonie mit buddhistischem Chanting ein. Nach und nach gehen und rollen die Auszubildenden des Centers von einer zur anderen in unserer Gruppe.

Die jungen Frauen chanten Segenswünschen, während sie ein weißes Bändchen um das Handgelenk jeder Frau binden, bis beide Arme ganz voll hängen mit den Fäden. Es ist ein sehr beliebtes Ritual nicht nur unter Laoten, sondern auch bei allen Reisenden im Land.

Doch angeleitet von einer Frau, die so inspiriert mit ihrem Leben und Werk, hat die Zeremonie eine ganz eigene Wirkung. Wir sind zutiefst gerührt und fühlen uns unglaublich beschenkt.

„Wenn die Welt sagt, es ist nicht möglich, dann sagen wir in unserem Center, JA, es ist möglich“, steht als Slogan auf der Homepage des Centers. Dieses Niveau von Vertrauen und Entschlusskraft nehmen wir dankend mit von einem Ort, der nichts Anderes als Hoffnung und Zuversicht ausstrahlt.

Mongolei: Frauenfilzwerkstatt „Zirbenzweig“ – Schulgeld für Alleinerziehende

In Ulan Bator, der Hauptstadt der Mongolei, besuchen wir einen Kreativraum der anderen Art – eine Frauenfilzwerkstatt, die zugleich eine Selbsthilfegruppe ist. Jede Reiseteilnehmerin, die im Winter auf warme und bequeme Hausschuhe aus einem umweltfreundlichen Material steht, wird hier sofort hellhörig.

Willkommen bei der NGO „Gatzuuriin motschir“ („Zirbenzweig“), wo „alles verfilzt“ etwas anderes bedeutet, nämlich „verflixt schön“. Denn hier wird mit mongolischem Kaschmir gearbeitet.

In einem kleinen Raum, keine 30 Quadratmeter groß, stapeln sich Säcke mit Wolle, gekämmt und ungekämmt, in allen Farben. Dazwischen die Arbeitstische, an denen uns die Frauen zeigen, wie die Produkte aus der gefilzten Wolle entstehen.

Frauenreisen Handgefertigte Filzschuhe aus zentralasiatischer Jurte

Bei all den Bergen von hochwertigen Schals, bunten Filzschuhen und den modischen Hüten und Westen wird schnell klar, hier wird mit Leidenschaft und Professionalität großartige Handwerkskunst hergestellt.

Und die hat Tradition: Das mongolische Filzhandwerk ist ein bedeutender Teil des kulturellen Erbes und des Alltagslebens der nomadischen Bevölkerung, lernen wir und staunen über die traditionellen Muster und Symbole, mit denen die Produkte verziert sind.

Frauenreisen Gründerin arbeitet in zentralasiatischem Frauenprojekt

Doch nicht nur das – auch diese Kreativ-Initiative wurde von einer energiegeladenen Allrounderin gegründet: Tungalag Galya (auch Tungaa genannt) setzt sich mit Herzblut dafür ein, die Lebensgrundlagen von alleinerziehenden Frauen in ihrem Bezirk zu verbessern.

Seit der Gründung der Zirbengruppe im Jahr 2010 bildet sie alleinerziehende Mütter zu Filzhandwerkerinnen aus. Sie lernen, qualitativ hochwertige Produkte herzustellen und sich betriebswirtschaftliches Marketing anzueignen. Mit dem Verdienst können sie ihren Kindern eine (Schul-)Ausbildung finanzieren. Ohne dieses Geld wäre nicht daran zu denken.

Mittlerweile gibt es 20 festangestellte Frauen und weitere 10, die saisonal helfen, wenn beispielsweise der Nürnberger Weihnachtsmarkt bestückt werden muss.

Denn die Zirbenzweig-Produkte sind inzwischen auch in Deutschland bekannt und gefragt, dank der engagierten Gründerin Tungaa.

Zusammen mit ihrem Mann Bataa veranstaltet die gebürtige Mongolin Reisen in ihre Heimat und schlägt so die Brücke zwischen den Welten. Dass sie außerdem eine fantastische Köchin ist, als Sängerin auftritt und ohne mit der Wimper zu zucken, eine große Jurte aufbauen kann, sei nur am Rande bemerkt.

Für unsere Rundreisen ist der Besuch des Projektes eine tolle Bereicherung: Wir erhalten Einblick in mongolisches Kunsthandwerk, kommen ins Gespräch mit den Frauen vor Ort und unterstützen ein soziales Projekt und Frauennetzwerk.

Eine wundervolle Win-Win-Situation wie bei all unseren Projektbesuchen in Asien.

Bilder:

© WomenFairTravel

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