Orchideen als Reiseziel
Als echte Verführer locken manche Orchideen-Arten nicht nur Menschen, sondern auch vermeintliche Sexualpartner optisch, sensorisch und gefühlsecht herbei, um sie dann doch nur schnöde mit Pollen zu bekleistern. Sollte man da nicht einmal dieser und anderen seltsamen Praktiken der Orchideenfamilie genau auf die Blüten schauen? Aber, Orchideen sind gar nicht so leicht zu finden.
Da bieten sich von Fachleuten geführte Gruppenreisen an. Der Guide sollte nicht nur fundierte botanische Kenntnisse haben, sie oder er muss auch ein Gespür für den Lebensraum und die ökologischen Ansprüche der Orchideen haben. Denn, sie müssen gefunden werden, sozusagen in Raum und Zeit. Und das ist wie gesagt gar nicht so leicht.
Wo kann man Orchideen spannend erleben?
Das kann man durchaus in Deutschland, z.B. in der Eifel oder auf der Schwäbischen Alb. Ende Mai/ Anfang Juni blüht die Mehrzahl der heimischen Arten.
Eine Alternative ist eine Orchideenreise ins Mittelmeergebiet. Hier bietet sich das noch relativ wenig touristisch überprägte Nordzypern an. Da sollte man allerdings als Reisezeit etwa Mitte März wählen, um möglichst viele Orchideenarten in Blüte zu sehen und den warmen Mittelmeerfrühling zu genießen.
Aber zuerst zurück nach Deutschland, etwa in die nördliche Eifel. Hier wurden vor Millionen von Jahren durch urzeitliche Meeresablagerungen die geologischen Voraussetzungen für die heutige Ausbildung flachgründiger, basenreicher Böden geschaffen. Die extensive Nutzung dieser Böden durch Beweidung schuf Vegetationsformationen, die Orchideen gute Wuchsbedingungen boten. Der Kulturlandschaftswandel, insbesondere die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung, vernichtete und verdrängte viele dieser Orchideen-Standorte. Erst in den letzten 40 Jahren wurden die Orchideen durch sehr gezielte Artenschutzmaßnahmen wieder stärker unter Schutz gestellt und gefördert.
Orchideenreisen – sanft & langsam
Schwerpunkt jeder Orchideenreise wird das Auffinden der verschiedenen Orchideen-Arten in einem relativ begrenzten Gebiet sein.
Natürlich sollte bei einer solchen Orchideen-Reise immer genügend Zeit sein, die Pflanzen in Ruhe anzuschauen, am besten auch mit einer Lupe, um die bizarre Blütenstrukturen, Farben, Drüsen, Pollinien, Behaarung etc. zu erleben. Und natürlich ist genügend Zeit für gute Fotos notwendig, denn viele Teilnehmer solcher Reisen sind engagierte oder sogar professionelle Fotografen. Heutzutage arbeiten einige auch bereits nur mit Smartphones, deren Fotoleistungen immer erstaunlicher werden. Es kommt auch durchaus vor, dass eine Nahaufnahme der bodennah wachsenden Orchidee durch die Möglichkeit der Vergrößerung auf dem Bildschirm zur endgültigen Artbestimmung genutzt werden kann.
Orchideen sind vielgestaltig und haben sehr unterschiedliche Lebensweisen. Die Vogel-Nestwurz (Neottia nidus-avis) beispielsweise lebt gar ohne jedes Blattgrün als Vollparasit in unseren Kalk-Buchen-Wäldern und bringt lediglich ihre bleichbraunen Blütenstände über den Erdboden.
Schauen wir uns mal eine der Fortpflanzungsstrategien der Orchideen in Detail an:
Vor allem Arten der Gattung Ragwurz (Ophrys) setzen eine komplizierte mehrstufige Strategie ein um sich sexuell fortpflanzen zu können. Hierzu werden Insekten, oft Wildbienen, angelockt. Die Orchidee gibt als Fernwirkung Duftstoffe ab, die den Pheromonen (Botenstoffe zur Informationsübertragung) der Bienenweibchen ähneln. Die Wildbienenmännchen, die vor den Weibchen schlüpfen, werden dadurch in die Nähe der Orchideenblüte gelockt (olfaktorische Anlockung). Weiterhin sehen die Blüten (genauer gesagt die Lippe der Blüte) den Bienenweibchen durchaus ähnlich (optische Anlockung). Landet das Insekt auf der Blütenlippe, so fühlt sich die Oberfläche durch die pelzige Behaarung und andere Merkmale auch an wie ein Weibchen (taktile Anlockung). Das Männchen versucht nun mit dem scheinbaren Weibchen zu kopulieren und muss dafür eine bestimmte Position auf der Lippe einnehmen. Dabei klebt die Orchidee ihm zwei Pollinien (zu „Säckchen“ verklebte Pollenkörner) auf eine bestimmte Körperstelle. Dabei wird ein sofort aushärtender Kleber benutzt, der auch das Interesse der Biotechnologie geweckt hat.
Wie die Orchideen sich Insekten zu Nutze machen
Das beklebte Männchen verlässt die Blüte, wobei nicht bekannt ist, ob es von einer tatsächlich erfolgten Kopulation mit einem Weibchen ausgeht oder letztlich enttäuscht davonfliegt. Die Biene erntet weder Nektar noch Pollen, wird sie also nur ausgenutzt? Die Wissenschaft weiß das nicht genau. Einige Orchideen bieten auch Duftstoffe an, die von den Insekten gesammelt werden und pheromonisch eingesetzt werden könnten. Jedenfalls fällt es beim nächsten Exemplar der gleichen Orchideenart wieder auf die perfide Anlockung herein und streift bei der erneut versuchten Kopulation die aufgeklebten Pollinien an der Narbe, also dem weiblichen Blütenorgan der Orchidee ab und bestäubt diese damit. Die Orchidee kann somit ihre winzigen Samen ausbilden, die dann später vom Wind zu neuen, hoffentlich geeigneten Standorten verweht werden. Da die Orchideensamen aufgrund ihrer Kleinheit kaum Speicherstoffe enthalten, sind die Keimlinge auf die Hilfe bestimmter Bodenpilze beim Wachstum angewiesen.
Mehrere Orchideenarten der Gattung Ragwurz kommen sowohl in Deutschland als auch in Zypern vor und können dort studiert werden.
Wie sieht es in Zypern aus? Stellen wir zunächst einige Fragen.
Werden wir sie finden: endemische Orchideenarten, zauberhaft blühende Wildtulpen und sich in steile Felswände krallende botanische Raritäten im Norden Zyperns? Wieso gibt es viele Pflanzenarten nur hier? Wissen Sie, was eine Sexualtäuschblüte ist? Was zeichnet die mediterranen Pflanzen aus? Man sollte die einheimischen Pflanzen und Tiere nicht nur sehen, sondern intensiv etwas über sie erfahren, mit zwar mit allen Sinnen (Sehen, Fühlen, Riechen, Schmecken). Und, Arten der Gattung Ragwurz (Ophrys) gibt es auch in Nordzypern. Mindestens 15 verschiedene Arten werden von den Fachleuten anerkannt.
Vanille wird aus Orchideen gewonnen
Kann man nur die Schönheit und die oft bizarre Biologie der Orchideen erleben? Nein, Orchideen kann man auch essen und trinken. Vanille ist wohl allen bekannt. Hier zermörsern wir die Frucht einer tropischen Orchidee, kratzen die winzigen Samen aus der Fruchtkapsel („Vanilleschote“) und verfeinern meist Süßspeisen damit. Bei der Zubereitung von Salep wurden früher, vor allem im östlichen Mittelmeerraum, zahlreiche Knollen verschiedener Knabenkrautarten (der Orchideengattung Orchis) ausgegraben, getrocknet, zerrieben und mit Milch zu einem stärkenden Wintergetränk zubereitet. Aus Artenschutzgründen ist das heute verboten oder zumindest stark reglementiert worden, da die Orchideenbestände gebietsweise sehr stark zurückgegangen waren. In Zypern war diese Nutzung nie sehr stark ausgeprägt.
Orchideen als das Wahrzeichen Zyperns
Im Norden der Insel Zypern bilden kalkhaltige Sedimentgesteine den geologischen Untergrund. Zusammen mit dem gebietsweise noch vergleichbar geringen Nutzungsdruck sind noch eine Vielzahl an Orchideenfundorten vorhanden. Eine Orchideenart, Kotschys-Ragwurz (Ophrys kotschyi) avanciert sogar zu einer Art Nationalblume, da sie nur auf Zypern vorkommt. Sie ist somit endemisch für Zypern und weist recht große Blüten mit durch reinweiße Umgrenzungen klar strukturierter Lippe auf. Benannt ist sie übrigens in Anerkennung des österreichischen Botanikers Theodor Kotschy.
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