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Frauenreise Kirgistan

Von Frauen für Frauen: eine nachhaltige Frauenreise nach Kirgistan

Frauen als Reiseleiterinnen oder gar als Reiseveranstalterinnen sind in vielen Ländern Asiens nach wie vor eine Seltenheit. Als Reiseveranstalter für Frauenreisen finden und fördern wir diese Frauen und ihre Unternehmen und Projekte. Ein gutes Beispiel ist Bermet, die 30-jährige Gründerin von Fair Travel Kyrgyzstan. Bermet ist wie viele über Umwege zum Tourismus gekommen. Sie hat einen Universitäts-Abschluss in Psychologie und Kognitionswissenschaft und arbeitet neben ihren Projekten in der Tour-Company in Teilzeit als Lektorin an der Uni und als Psychologin.

Im Interview spricht sie über Slow Travel, ihre Idee für ein lokales Projekt zur CO₂-Kompensation, über Frauen in Kirgistan und „Tengri“ – die zentralasiatischen traditionellen Praktiken, aus der Bermet ihre Motivation für nachhaltigen Tourismus schöpft.

Bermet, du hast in deiner Zeit an der Universität zu Themen wie Depression und Trauer geforscht.
Was hat dich in den Tourismussektor gebracht?

Als Kind und junge Frau hatte ich überhaupt keine Vorstellung davon, wie schön Kirgistan ist. Ich habe die Einzigartigkeit gar nicht wahrgenommen, bis ich zum Studium nach Deutschland gegangen bin. 2016 unternahm ich eine Reise durch den Süden des Landes mit einer Gruppe von europäischen Freund*innen. Sie waren alle so beeindruckt. Sie schauten auf die Berge und waren voller Ehrfurcht. Ich konnte die Reaktion zunächst gar nicht verstehen. Als Einheimische sind wir es einfach gewöhnt, die schneebedeckten Berge, die kristallklaren Seen und Weißwasserflüsse zu sehen. Von allen Besucher*innen höre ich immer wieder, wie surreal ihnen die prachtvolle Natur erscheint. Ich glaube, wenn sich die Reisenden der kirgisischen Kultur öffnen und bereit sind, sich mit der Natur zu verbinden, kehren sie verändert nach Hause zurück.

Frauen unterwegs in Kirgistan
Was war der Wendepunkt für deinen Einstieg in den Tourismus?
Jurten für Kleingruppen

Ich fing an selbst zu reisen. Und ich begann zu realisieren, dass Tourismus helfen kann, andere Kulturen, Menschen und ihre Weltwahrnehmung zu verstehen. Selbst so etwas wie Glück kann für Menschen ganz unterschiedliche Bedeutungen haben, was mich sehr inspiriert. Davor war ich sehr skeptisch, was die Tourismus-Industrie betrifft. Sie kann einen sehr negativen Einfluss auf die Natur und auf die Authentizität der lokalen Kultur nehmen. Bald sah ich jedoch, dass Tourismus auch große positive Auswirkungen auf psychologischer und kultureller Ebene haben kann. Und ich verstand, dass beide – die Branche und die Tourist*innen – sehr unterschiedlich sein können in ihren Absichten und Werten. Ich entdeckte die nachhaltige Art des Reisens.

Wie garantierst du, dass deine Touren die kirgisische Kultur und Natur bewahren –
anders vielleicht als ein Mainstream Reiseveranstalter in Kirgistan?

Einer der größten Unterschiede ist wahrscheinlich, dass wir uns für Slow Travel engagieren, für das langsame Reisen. Es erlaubt unseren Gästen mehr im Moment zu sein und ein besseres Verständnis für Natur und Kultur zu entwickeln, wenn sie nicht von einem Programmpunkt zum nächsten hetzen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass alle Unterkünfte und Jurtencamps, mit denen wir zusammenarbeiten, kleine, lokale Familienunternehmen sind – oft von Frauen und ihren Töchtern geführt. Die Jurtencamps haben in der Regel etwa 5 Jurten im Vergleich zu 40 Jurten in den Camps anderer Veranstalter, was mehr einem Hotel in Jurten-Form entspricht. Die Chance auf authentischere Erfahrungen ist in diesen kleineren Betrieben größer. Unsere Gäste erleben, wie die Familien kochen, sie lernen ihr Handwerk kennen und wie sie ihren Alltag leben. Darüber hinaus arbeiten wir nur mit Camps zusammen, die ihre Umwelt schützen und zum Beispiel achtsam mit dem Stromverbrauch umgehen. In manchen abgelegenen Gegenden gibt es natürlicherweise keine Lichtverschmutzung und wir würden das gerne erhalten.

Reitpause auf der Frauenreise
Wie drückt sich das nachhaltige Reisen in eurem Programm selbst aus?

Bei vielen Veranstalter*innen ist Jagen ein beliebtes Angebot für Gäste. Wir wollen den Trend in dieser Form nicht unterstützen. Stattdessen klären wir unsere Gäste über die traditionellen Jagdpraktiken mit Adlern als einzigartiges kulturelles Phänomen auf. Denn sie ist ein gutes Beispiel der nachhaltigen Lebensweise unserer nomadischen Ethnien: Nur wenn ein Adlerpaar mehr als ein Küken aufzieht, werden die Halter einen einzigen der Jungvögel aus dem Nest nehmen, um ihn für die Jagd zu trainieren. Die Jäger halten die Vögel in der Regel 10 Jahre lang und wildern diese dann aus, sodass die Vögel Familien gründen und sich fortpflanzen können. Diese Tradition ist ein wunderbarer Ausdruck für das nachhaltige Prinzip, von der Natur nicht mehr zu nehmen als sie gibt und sie auf diese Weise für künftige Generationen zu erhalten.

Ein Teil unserer Tour ist auch, dass wir eine Frauenkooperative am Ufer Kirgistans größtem See besuchen. Sie bewahren das traditionelle Kunsthandwerk mit Wolle. Eine sehr zeitaufwändige Kunst, die viel Wissen über die Verzierungen der Produkte und die Bedeutung ihrer Kombinationen voraussetzt.

Frauen auf Reisen in Kirgistan
Ihr habt auch Ideen zum Thema Klimaschutz.

Genau. Es ist uns super wichtig, unsere CO₂-Emissionen auszugleichen, indem wir eine entsprechende Menge Bäume pflanzen lassen. Im Moment läuft das über eine internationale Organisation, weil wir noch keinen lokalen Partner gefunden haben. Es ist eine große Herausforderung, jemanden zu finden, der die Bäume nicht nur pflanzt, sondern auch sicherstellt, dass sie in unserem Klima gesund wachsen. Deshalb denken wir darüber nach, in den kommenden Jahren selbst eine entsprechende Initiative zu schaffen, weil wir gerne auf der lokalen Ebene zurückgeben wollen.

Kannst du ein wenig mehr über das Leben und die Rolle der Frauen in der kirgisischen Gesellschaft erzählen?

Ich würde sagen, historisch hatten Frauen immer einen hohen Stand in der kirgisischen Gesellschaft, nicht nur in der Bewahrung der Kultur, sondern auch bei den politischen Entscheidungen. Es gibt Beispiele von Frauen, die Führerinnen ihrer Stammesgruppe waren oder die Kirgistan auf einer internationalen Ebene repräsentiert haben. Die aktuelle Situation ist allerdings nicht ganz so positiv. Viele würden sagen, dass es kirgisischen Frauen bessergeht als den Frauen in den meisten Nachbarstaaten. Nichtsdestotrotz leben auch wir in einer patriarchal geprägten Gesellschaft. Unser Parlament etwa hat nur 20% weibliche Abgeordnete.

Frauen auf einer Hochzeit in Kirgistan
Feminismus in den Kinderschuhen?

Die feministische Bewegung ist stark und wächst, so dass die Wahrnehmung sich zum Besseren wendet – auch wenn der Fortschritt langsam ist. Und wir hatten schon einmal eine weibliche Präsidentin. Massenmedien haben dank der Arbeit einiger NGOs und Aktivistinnen angefangen, öfter über genderbasierte Gewalt und Kindesmissbrauch zu berichten, was eine positive Wirkung auf Gerichtsurteile hat. Für mich sieht es tatsächlich so aus, als stünden wir an einer Kreuzung: Die ganz alten Strukturen, die deutlich gleichberechtigter waren, sind in Vergessenheit geraten und der moderne Feminismus, den wir aus dem Westen importiert haben, fühlt sich noch recht fremd und entfernt an für viele Menschen.

Frauen unterwegs in Kirgistan
Wie würdest du euer Angebot für uns zusammenfassen?

Ich glaube, dass die Tour, die wir für Euch zusammengestellt haben, eine sehr gute Einführung in die traditionelle kirgisische Kultur ist. Gleichzeitig geben wir den Gästen die Möglichkeit, die kirgisische Natur in vollen Zügen zu genießen. Ich glaube, es ist eine lebensverändernde Erfahrung, all diese unterschiedlichen magischen Orte in Kirgistan zu besuchen. Es gibt diese uralte zentralasiatische Weltanschauung namens „Tengri“, nach der alles um uns herum eine eigene Energie hat – Berge, Flüsse, Seen, Bäume, usw.

Und das macht es so bedeutend, all dem Respekt zollen und in Harmonie mit unserer Umgebung zu existieren. Denn was uns umgibt, ist nun einmal der Ort, an dem wir leben. Diese Gedankenwelt war ein wichtiger Teil meiner Kindheit, und es ist definitiv, wie ich Tourismus sehe und wie ich möchte, dass er sich weiterentwickelt.
Wir sind ein Teil der Natur und nicht ihr Gegner. In Harmonie mit unserer Umgebung zu leben ist daher essenziell.

Kirgistans Adler Jagdtradition
Jurte für Frauen
Wie steht es um Frauen im Tourismus? Was sind ihre Positionen? Und sind sie gut vertreten?

Ja, sie sind tatsächlich gut vertreten. Und ich kann von mir selbst sagen, dass ich mich nicht benachteiligt fühle als weibliche Reiseveranstalterin. Ein Bereich, der noch stark männlich dominiert ist, ist der Transport-Sektor. Es gibt sehr wenige weibliche Fahrerinnen, und es ist eine große Herausforderung eine weibliche Fahrer-Guide zu finden. Aber auch das ändert sich langsam.

Frauen beim Woll-Handwerk
Frauen auf Reisen in Kirgistan

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Bilder:

Header: © Canva

Beitragsbild: © WomenFairTravel

Bild 7 (Junge mit Adler): © Canva

Bilder im Textteil, sofern nicht anders angegeben: © WomenFairTravel

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