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Himmelsscheibe von Nebra

Die Himmelsscheibe von Nebra

Die Geschichte über die Himmelsscheibe von Nebra besitzt wirklich alles, was es zu einem guten und auch witzigen Krimi braucht und seit Jahren wundere ich mich, dass es darüber noch keinen Film gibt….

Der Sensationsfund in Sachsen-Anhalt

1999: Zwei Grabräuber stoßen auf dem Mittelberg in Sachsen-Anhalt auf den Fund ihres Lebens und merken das viel zu spät. Da hat bereits ein Hehler ihren Sensationsfund gekauft, und weiß gar nicht so richtig, was er damit anfangen soll. Nur wenige bekommen den Fund zu sehen, aber das reicht: Die Gerüchteküche in der Szene der Raubgräber- und Hobbyarchäologen brodelt über und auch die Wissenschaftler und Museumsleute sind längst alarmiert. Auch er ist überfordert, genauso wie das Hehlerpaar, an die er den Fund fast zwei Jahre später weiter verkauft.

LKA sichert Jahrhundertfund

Doch der Coup gelingt und der komplette Fund (neben der Himmelsscheibe zwei Schwerter, Beile, Meißel und Armbänder) wird sichergestellt und die Hehler verhaftet.
Danach beginnt ein ebenso spannender Gerichtsprozess. Die Strategie der Verteidigung: Die Himmelsscheibe wird kurzerhand zur Fälschung erklärt, womit große Teile der Anklage hinfällig würden. In der Folge blamiert sich ein bis dato renommierter Wissenschaftler, weil er als Gutachter der Verteidigung die Himmelsscheibe zur Fälschung erklärt, ohne sie überhaupt in Augenschein genommen zu haben..

Landmarken der Himmelsscheibe von Nebra
Eine Fälschung führt zu hinfälliger Anklage

Nur wenige sind eingeweiht und ahnen, wie groß die Sensation tatsächlich ist. Drei Jahre dauert es, bis das LKA Magdeburg gemeinsam mit der Schweizer Polizei in Zürich zuschlägt, um bei einem fingierten Ankauf diesen Jahrhundertfund sicher zu stellen – auch dies unter dramatischen Bedingungen.
Zentrale Figur bei der Übergabe ist der frischgebackene Direktor des Landesmuseums Halle – Dr. Harald Meller. Er wird zu seiner Sicherheit mit einem Mobiltelefon ausgestattet, schwitzt aber dennoch Blut und Wasser, weil das Treffen mit den Hehlern im Tiefgeschoss eines Luxushotels stattfindet, wo er keinen Empfang mehr hat. Und immer muss er daran denken, dass man ihm eingeschärft hat, kein Risiko einzugehen, denn „solche Leute gehen auch mal über Leichen“.

Überführung der Hehler

Es macht ausgesprochenes Vergnügen, diese Geschichte aus dem Mund eines Zeitzeugen erzählt zu bekommen. Dr. Christian-Heinrich Wunderlich ist 2001 erst seit kurzem Restaurator am Landesmuseum in Halle (Saale), als er vom LKA mit einbezogen wird. Seine Aufgabe: Er soll einen kleinen Chemikalienkoffer zusammenstellen. Man kann den Hehlern weißmachen, dass es bei der Übergabe eine Echtheitsprüfung geben müsse. Was diese nicht wissen, ist, dass man Stücke aus der Bronzezeit nicht auf Echtheit prüfen kann. Es geht lediglich darum, dass die Hehler die Ware im Original bei sich haben, wenn sie verhaftet werden!

Bei unserer ersten Himmelswege-Reise ist das Treffen mit dem Restaurator der Himmelsscheibe in seinem Reich, der neu gebauten Restaurierungswerkstatt, ein Höhepunkt der Reise. Mehr als zwei Stunden nehmen wir uns Zeit und Herr Dr. Wunderlich beantwortet geduldig unsere neugierigen Fragen.

die Restaurierungswerkstatt
Ein Objekt der besonderen Klasse

Für mich ist die Himmelsscheibe von Nebra eines der spannendsten Objekte, das ich je gesehen habe.
Man kann für den Wissenschaftler, welcher die Echtheit angezweifelt haben, sogar ein Stück weit Verständnis haben, so außergewöhnlich ist sie. Vereinfacht gesagt, ging man davon aus, dass in der Region einfache Bauern ohne allzu großen Horizont und ohne nennenswerte Werkzeuge oder größeres Wissen leben.

Die Schaltregel

Und dann taucht diese Scheibe auf. Sie zeigt einen fast „intellektuellen, wissenschaftlichen“ Blick auf den Himmel. Keine Gottheiten sind zu sehen, welche in anderen Kulturen für die Bewegung der Himmelskörper verantwortlich sind. Stattdessen werden Beobachtungen, die über viele Jahre, vermutlich mehrere Generationen hinweg gesammelt werden, fest gehalten. Derjenige, der diese Scheibe zu lesen vermag, hat die Möglichkeit, die Synchronisierung von Mond- und Sonnenjahr herzustellen, also zu bestimmten Zeiten den Kalender zu korrigieren mit zusätzlichen Monaten, damit Mond- und Sonnenjahr wieder übereinstimmen – die Schaltregel.
Die bislang älteste Quelle für die Schaltregel ist fast 1.000 Jahre jünger und stammt aus einer Hochkultur, Babylon. Und nun? Gibt es hier mitten in Europa wirklich eine bislang weitgehend unbekannte Hochkultur? Und woher hat sie ihr Wissen?
Tatsächlich stellt sich nach aufwändigen Untersuchungen heraus, dass die Himmelsscheibe von Nebra hier hergestellt wurde. Nach vielen Jahren intensiver Forschung wissen wir heute mehr über diese „Aunjetitzer Kultur“ und sind nicht mehr so überrascht über ihre Möglichkeiten.
Für mich besonders bemerkenswert: Soweit wir wissen, ist es eine schriftlose Kultur. Wie kann man über viele Jahre den Himmel beobachten und Wissen sammeln, ohne es aufzuschreiben?

Himmelsscheibe von Nebra ablesen
Interessante Ausstellungen im Landesmuseum Halle (Saale)

In jedem Fall ist die Himmelsscheibe offenbar ein Memogramm, damit Kalenderersatz und sie bedeutet Wissen und Macht und verweist damit auch auf eine veränderte Gesellschaftsstruktur in der frühen Bronzezeit. Noch mehr hochspannende Fakten zu dieser Kultur liefern die Funde, die im Landesmuseum in Halle (Saale) ausgestellt sind.
Das Land Sachsen-Anhalt hat im Verlauf der vergangenen Jahre viel dafür getan, um die Erkenntnisse rund um diese Scheibe zu präsentieren und sie auch für breite Schichten verständlich zu machen. Neben der aufwändigen Präsentation der Himmelsscheibe im Landesmuseum in Halle (Saale) gibt es am Fundort auf dem Mittelberg einen hohen Turm, von dem man aus die Landmarken sehen kann, die man für das Lesen der Himmelsscheibe benötigt. Und in der Nähe hat man eigens ein großes Gebäude errichtet, die Arche Nebra, in der in einer (gerade neu gestalteten) Ausstellung und einem eigens eingebauten (!) Planetarium die wichtigsten astronomischen Hintergründe anschaulich erklärt werden.

Fundorte rund um die Himmelsscheibe von Nebra

Damit nicht genug: Das Land Sachsen-Anhalt besitzt dank der intensiven Forschungsarbeiten von Prof. Harald Meller, seinem Team und viele weitere Archäologen des Landes weitere, außergewöhnliche Fundorte rund um die Himmelsscheibe und die Stein- und Bronzezeit. Üblicherweise werden archäologische Grabungsorte wieder verschlossen, nachdem sie erforscht wurden. Hier hat man in den vergangenen Jahren einige mit sehr aufwändigen Rekonstruktionen versehen, die nun unter dem Titel „Himmelswege“ besucht werden können. Sie erweitern unseren Blick auf diese so außergewöhnliche Kultur, von der bis vor wenigen Jahren kaum etwas bekannt war, und die derart unterschätzt wurde.

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Bilder:

Header: © Canva

Beitragsbild: ©ViadellArte

Bilder im Textteil, sofern nicht anders angegeben: © ViadellArte

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